Artikel Artikel unserer Gastarbeiter*innen

Wenn Dating zum Leistungsdruck wird

Einen Partner finden, der nicht nur den eigenen Vorstellungen, sondern auch jenen der Familie entspricht – eine Mission, auf die viele albanische Frauen geschickt werden. 

«So jemanden bringst du mir aber nicht nach Hause!»
«Hast du gehört? Seine Tochter ist mit einem Schweizer zusammen, die Eltern tun mir so leid…»

Mit solchen Aussagen werde ich seit meiner Kindheit konfron­tiert. Als Tochter von Eltern, die ursprünglich aus dem Kosovo stammen, ist das Thema Dating sehr heikel. Ich stamme aus einem konser­va­tiven Land und wurde in dessen Kultur erzogen, lebe jedoch in einem hochmo­dernen Land in Europa. Die Themen Identität, Herkunft und die Treue zu den eigenen Wurzeln stellen hier ein Problem dar. Oft wissen wir Exil-Albaner nicht so genau, wie viel von dieser Herkunft wir in unser Leben mitnehmen sollen. Wo zieht man die Grenze? Wann sind wir noch Ausländer und in welchen Fällen sehen wir uns als Schweizer? All diese Fragen werden beim Kennen­lernen eines poten­ti­ellen Partners deutlich.

Wann sind wir Ausländer und in welchen Fällen sehen wir uns als Schweizer?

Mir wurde in den Kopf gesetzt, dass mein zukünf­tiger Bräutigam katho­lisch und aus dem Kosovo sein soll, besten­falls sogar noch der Region, aus der meine Familie ursprünglich stammt. So wie meine Eltern damals gehei­ratet haben. Als albanische Frau wird man auf die Mission geschickt, sich so zu verlieben, dass es reibungslos und zu Gunsten der ganzen Familie geschieht. Und obwohl wir in der Schweiz die Freiheit haben, unsere Partner länger und tiefgrün­diger kennen­zu­lernen, besteht auch hier ein ganzer Katalog an Voraus­set­zungen, die erfüllt sein müssen, damit die eigene Familie nicht enttäuscht ist.

Ich gehe also mit einer Brille durch die Welt, die einen integrierten Filter hat. Lerne ich im Alltag, im Ausgang oder durch Freunde neue Menschen kennen, filtere ich diese automa­tisch. Finde ich jemanden attraktiv, der nicht dem vorge­schrie­benen Ideal entspricht, bin ich meistens ziemlich enttäuscht. In meinem Kopf tröste ich mich dann mit Aussagen wie: «Er ist so toll und sympa­thisch, aber es würde ja eh nie funktio­nieren, weil…»

Ich gehe mit einer Brille durch die Welt, die einen integrierten Filter hat.

Ich bin fest davon überzeugt, dass ich, wie viele andere Frauen in derselben Situation, oftmals Partner­schaften verpassen, weil wir die falschen Werte anstreben. Wir werden so auf Religion und Herkunft getrimmt, dass man dafür bei der Persön­lichkeit einsteckt. Wir nehmen Macken und Dealb­reaker in Kauf, nur um die vorge­ge­benen Rahmen­be­din­gungen der Eltern und unserer Gesell­schaft zu erfüllen.

Wie bei vielen anderen Themen auch, sieht die Situation besonders für Frauen relativ trostlos aus. Söhnen wird oftmals mehr Toleranz entge­gen­ge­bracht als Töchtern. Sie dürfen sich mehr ausleben, haben mehr Freiheiten, und bei der «Nuse-Suche» (Braut­suche) wird ihnen weniger reinge­redet. Klar wird auch von ihnen verlangt, dass sie so heiraten, wie Mama und Papa das für richtig halten, jedoch werden «Jungs immer Jungs bleiben» und müssen erst noch «ihre Triebe befrie­digen», bevor sie sich auf nur eine Frau festlegen. Sie daten andere Frauen, leben sich auf diese Weise aus, und sobald sie diese «Phase» hinter sich haben, legen sie sich dann auf jemanden fest, die dem Ideal der Eltern entspricht.

Bei den Eltern heisst es dann oft:
«Er ist ja noch jung.»
«Der wird schon noch zur Besinnung kommen.»
Man sieht hier ganz klar eine Ungleich­be­handlung der Geschlechter.

Abschliessend ist zu sagen, dass wir alle das Bedürfnis haben, unsere Familie nicht zu enttäu­schen. Unsere Eltern sind unser Ein und Alles. Sie leiden zu sehen, ist das Letzte, was wir wollen, und in den meisten Fällen tun sie alles aus Liebe und weil sie uns beschützen wollen. Dennoch muss uns klar sein, dass wir nur für uns selbst und für niemand anderen leben. Wir selbst müssen mit unseren Entschei­dungen glücklich sein, um ein erfülltes Leben führen zu können. Ob dies den Vorstel­lungen unserer Eltern entspricht oder nicht, sei dahingestellt.

 

  1. Adelina Xh.

    Das schlimmste ist ja, dass selbst junge gebildete und hier geborene Albaner/innen so eine fast schon xenopho­bische Einstellung gegenüber andere Nationen haben.
    „Ist er nicht Albaner bzw Albanerin, ist sie nicht gut genug“

    Es ist übrigens erschreckend, wie weitver­breitet der Glaube von Reinheit unter einem Volk ist. Die meisten Albaner und Albane­rinnen denken tatsächlich, dass sie reinblütige Albaner sind.

    Der albanische Mann darf mit der Schwei­zerin oder der Deutschen oder der Kroatin seinen Spaß haben, die albanische Frau muss Jubgfrau bis zur Ehe bleiben. Ich selber bin Albanerin, habe in Schweden studiert und wohne jetzt in London, habe viele Albanische Freun­dinnen mit einer höheren Bildung, die immer noch denken, dass Frauen, die vor der Ehe Sex haben oder einen Partner haben, der kein Albaner ist, ein Schand­fleck in der albani­schen Gesell­schaft sind.

  2. Auf den punkt gebracht — ❤️

  3. Liebe Gabriela, ich finde deinen Beitrag mega gut geschrieben. Merci! Als kath. Albanerin mit einem Schweizer Freund kann ich den Inhalt deines Beitrags nur zu gut nachvoll­ziehen. Ich liebe meine Eltern auch und ihr Gedan­kengut war für mich als Kind absolut heilig. Mit dem Älter werden entwickelt man aber eigene Meinungen und Einstel­lungen, die von ihren abweichen können. Ich habe also angefangen mich zu fragen, ob ihr Gedan­kengut und das ihrer Familien wirklich das einzig Richtige ist? Ob ich mehr Schwei­ze­risch oder Albanisch sein will? Ob es wirklich falsch ist einen Schweizer zu lieben? Ich glaube solche Fragen muss jeder für sich beant­worten, aber was ich mit Sicherheit sagen kann ist, dass es NICHT falsch ist einen Schweizer zu lieben und als Partner zu haben. Mensch ist Mensch. Es gibt keine Richtige und keine Falsche Nation. Wir haben uns nicht ausge­wählt von wo wir kommen. Wichtig ist es, dass er zu mir passt und wir im Leben in die gleiche Richtung wollen. Ein wenig konkreter gesagt, dass wir gemeinsame Werte, Einstel­lungen, Erwar­tungen und Ziele haben. Das kann ich in einem Schweizer oder Albaner oder in jemanden mit einer nochmals anderen Natio­na­lität finden. Die Herkunft spielt also eine unter­ge­ordnete Rolle. Bei mir ist es halt nun ein Schweizer. Für uns sind beide Kulturen gleich­wertig und wir nehmen von beiden das mit, was uns passt und leben danach. Schluss­endlich ist es auch so, dass ich mit meinem Partner das Leben verbringen werde und nicht meine Familie geschweige den irgend­welche Verwandte, die manchmal echt das Gefühl haben mitreden zu dürfen. Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass bei Albanern Bilder im Kopf sind, wie “Schweizer Partner = Scheidung vorpro­gram­miert” oder “sie hat einen Schweizer Partner = schlechtes Mädchen”. Solche Fehlschlüsse bringen mich zum lachen, machen mich gleich­zeitig aber auch wütend. Viele machen die und ich weiss nicht ob es an mangelnder Bildung liegt oder ob sie es einfach nicht wahrhaben wollen, dass es nicht immer ein Albaner sein muss oder was genau der Grund ist. Ich muss aber auch sagen, dass sich die Zeiten ändern. Mittler­weile kenne ich so viele gebildete albanische Mädchen mit Schweizer Partnern, was irgendwie voll motivierend ist. Ich persönlich freue mich ja darauf mal ein Kind zu haben, dass sagen kann es ist Halb-Schweizer und Halb-Albaner haha 😀 Ich rate dir und anderen: Mach deine Erfah­rungen, schaue was für dich stimmt und bleibe dir treu. Schluss­endlich musst du glücklich sein. Wir haben nur ein Leben 🙂

    • Gabriela

      Danke vielmals für den lieben Kommentar Linda! Es freut mich sehr, dass du dich mit dem Artikel identi­fi­zieren konntest und er dir gefallen hat 🙂

  4. ??????????

  5. Albulena Tomes

    Hallo Gabriela, ich bin‘s Maya!

    Ich find es megaaa cool wie du das gschriebe hesch und ich stoh zu dir!!!!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert