Farah Rumy sitzt seit über einem Jahr für die SP im Nationalrat. Letzte Woche brach sie ein Interview mit einem Journalisten ab. Denn beim Gespräch standen nicht ihre politischen Inhalte im Fokus, sondern ihre Herkunft. Wir brauchen mehr Reaktionen wie ihre!

Obwohl Farah Rumy erst seit 2023 Natio­nal­rätin ist, hat sie bereits eine ganze Reihe von Geschäften im Parlament einge­reicht. Die meisten betreffen das Gesund­heits­wesen, was ganz im Sinne des Miliz­par­la­ments ihrer Ausbildung als diplo­mierte Pflege­fachfrau sowie diplo­mierte Pflege­be­ra­terin geschuldet ist. Dazu ist sie Mitglied der aussen­po­li­ti­schen Kommission des Natio­nalrats und reichte ein Postulat zum Sudan sowie eine Frage an den Bundesrat zur Situation in Gaza ein. Ausserdem reichte sie, neben vielen weiteren Geschäften, auch eine Inter­pel­lation zu Kriegs­ma­te­ri­al­ex­porten nach Indien ein und stellte später in einer Frage­stunde mehrere Anschluss­fragen zur einge­reichten Interpellation.

Für einen Journa­listen war dieses letzte Geschäft Anlass genug, Rumy im Vorfeld eines Inter­views Fragen zu ihrer Herkunft zu stellen (Farah Rumy ist die erste Natio­nal­rätin mit sri-lanki­schen Wurzeln und kam im Alter von sechs Jahren in die Schweiz). Ob sie ursprünglich auch «aus dieser Region» komme, wollte der Journalist im Zusam­menhang mit ihrer Rede zum «Freihan­dels­ab­kommen mit Indien» wissen. Und ob sie wegen ihres ethni­schen Hinter­grunds mehrmals das Wort zu diesem Geschäft ergriffen habe.

Farah Rumy tat das einzig Richtige: sie brach das Interview vorzeitig ab.

Es ist der übliche Reflex in der Schweiz, migran­tische Personen auf ihre Herkunft zu reduzieren, anstatt ihre beruf­lichen Quali­fi­ka­tionen oder Leistungen gleich­wertig anzuer­kennen. Farah Rumy tat das einzig Richtige: sie brach das Interview vorzeitig ab.

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So wie Farah Rumy geht es der überwäl­ti­genden Mehrheit der migran­ti­schen Personen in der Schweizer Arbeitswelt, die regel­mässig Alltags­ras­sismus erleben. Sie müssen sich dumme Sprüche über ihre «Lands­leute» oder Stereotype über ihre Herkunft anhören, sich für Unter­schiede im religiösen Alltag recht­fer­tigen oder ihnen werden aufgrund ihres Migra­ti­ons­hin­ter­grunds ungewollte Attribute zugeschrieben.

Aus Angst vor negativen Konse­quenzen oder der Gefahr «undankbar» zu wirken, suchen die Wenigsten bei solchen Vorkomm­nissen die Konfron­tation. Statt­dessen wird die Wut häufig herun­ter­ge­schluckt. Dabei wären, wie Farah Rumy es vorge­macht hat, Konfron­tation und Aufklärung die beste Reaktion. Daneben sollten nicht nur migran­tische Personen für sich einstehen müssen. Vor allem Angehörige der Mehrheits­ge­sell­schaft haben die Aufgabe, das Auftreten von Alltags­ras­sismus zu erkennen und einzu­greifen, indem sie z.B. Arbeitskolleg*innen nach rassi­sti­schen Aussagen zur Rede stellen.

Was oft vergessen geht: Hinter den persön­lichen Erleb­nissen von Alltags­ras­sismus steht ein struk­tu­relles Problem: die fehlende Reprä­sen­tation. Weder in der Schweizer Politik noch in der Medien­land­schaft sind migran­tische Personen ausrei­chend reprä­sen­tiert, was dazu führt, dass ein grund­le­gendes Verständnis für migran­tische Anliegen im Allge­meinen und Alltags­ras­sismus im Spezi­ellen fehlt.

Vor allem Angehörige der Mehrheits­ge­sell­schaft haben die Aufgabe, das Auftreten von Alltags­ras­sismus zu erkennen und einzugreifen.

Politische Ämter sind in der Schweiz in der Regel wenig bis gar nicht bezahlt. Die (aktive) politische Parti­zi­pation ist somit ein Luxus, den sich viele migran­tische Personen nicht leisten können oder zu denen ihnen schlichtweg der Zugang fehlt. Die wenigen gut bezahlten Ämter sind in den Händen der Mehrheits­ge­sell­schaft, die ihre Macht nur ungern teilt.

Zwar freuen sich alle Parteien über Stimmen von Menschen mit Migra­ti­ons­ge­schichte – aber wenn es darum geht, wer wirklich für ein politi­sches Amt aufge­stellt wird, haben diese Personen oft schlechte Karten. Wenn überhaupt, landen sie meist ganz am Ende der Wahllisten – also mit kaum einer Chance, gewählt zu werden.

Ähnlich sieht es innerhalb der Schweizer Medien­land­schaft aus, nur wenige Journalist*innen in der Schweiz haben einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund, und je weiter man in der Hierarchie nach oben geht, desto kleiner wird ihr Anteil. Dabei wäre ein höherer Anteil migran­ti­scher Journalist*innen sowohl für die Themen­auswahl als auch für die Art der Bericht­erstattung für eine diverse Medien­land­schaft unerlässlich.

Wenn ihr also in nächster Zeit mit Alltags­ras­sismus konfron­tiert seid, macht es wie Farah Rumy und schaut nicht weg, sondern reagiert direkt. Geht wählen und wählt vorzugs­weise Kandie­rende mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund und schreibt bei rassi­sti­scher Bericht­erstattung an die jeweilige Zeitung. Und schliesslich solltet ihr, falls ihr es nicht sowieso schon seid, unbedingt Mitglied beim einzigen Medium mit einer migran­ti­schen Chefre­dak­teurin werden.

 

Von Nico Zürcher

 

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