Im Februar kam es in der schwedischen Stadt Örebro zu einem Amoklauf in einer Schule. Als sich herausstellte, dass der Täter kein Islamist war und die meisten der Opfer Migrant*innen, zeigte sich ein in den breiten Medien typisches Muster – sie berichteten kaum darüber.

Am 4. Februar 2025 mittags flackerten die Ticker aller grossen Medien­häuser kurz auf: mögliches Attentat in der Schule Risks­berga in Schweden mit zahlreichen Toten und Schwer­ver­letzten. Es wurden Videos von veräng­stigten Zeug*innen geteilt, die sich versteckten, während im Hinter­grund Schüsse zu hören waren.

Die Polizei war schnell vor Ort, aber die Schule ist gross und so dauerte die Suche nach dem schwer­be­waff­neten Täter ganze drei Stunden. Am Ende sind zehn Menschen tot, minde­stens sechs weitere verletzt, der Täter wird ebenfalls tot aufgefunden.

«Laut Medien­be­richten hatte der Täter keinen Migrationshintergrund.»

Über das Motiv wird anfangs viel speku­liert. Die BBC bebil­derte sogar einen Artikel über das Attentat irrefüh­ren­der­weise mit dem Bild eines arabisch gelesenen Teenagers, so dass der Eindruck entstand, er sei der Täter gewesen. Doch schon am nächsten Tag kann die NZZ Entwarnung geben: «Laut Medien­be­richten hatte der Täter keinen Migrationshintergrund.»

Es gebe kein terro­ri­sti­sches Motiv, der Täter sei bloss ein Einzel­täter gewesen und kein Mitglied einer Bande. Von seinen Nachbarn wurde er als nett und unauf­fällig beschrieben, Verwandte berich­teten über langjährige, psychische Probleme.

Die Polizei schliesst schnell ideolo­gische Motive aus. Und damit verschwindet das Thema weitest­gehend aus dem Blickfeld der deutsch­spra­chigen Medien.

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Ideolo­gische Motive wahrscheinlich

Inzwi­schen ist mehr über die Opfer bekannt: Es sind drei Männer und sieben Frauen. Fast alle Opfer hatten einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund, sie kamen aus Bosnien, Syrien, Somalia, Eritrea und dem Iran. Dies wurde erst bekannt, nachdem die Botschaften der Länder Syrien und Bosnien, und nicht etwa die schwe­di­schen Behörden selbst, den Tod der eigenen Staats­bürger bestätigten.

Auch kommt eine Smart­phone-Aufnahme des Täters an die Öffent­lichkeit, auf welcher er «Ihr sollt weg aus Europa!» gerufen haben soll. Die schwe­dische Polizei musste inzwi­schen öffentlich ihren Ausschluss ideolo­gi­scher Motive wieder zurück­nehmen. Zurück bleibt eine verun­si­cherte migran­tische Gemein­schaft in Schweden, die ohnehin schon wenig Vertrauen in die Politik hat.

Fast alle Opfer hatten einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund, sie kamen aus Bosnien, Syrien, Somalia, Eritrea und dem Iran.

Der Fall zeigt sinnbildlich, wie unter­schiedlich Behörden, Politik und Medien mit einem Attentat umgehen, wenn der Täter weiss ist und ein vermutlich fremden­feind­liches Motiv hatte. Man stelle sich nur einen Moment vor, der Täter hätte eine Migra­ti­ons­bio­grafie gehabt – die Zeitungen hätten tagelang über den Fall berichtet, Politiker*innen vor den Gefahren der Zuwan­derung gewarnt und die Behörden geprüft, wie sie die Bevöl­kerung besser schützen können.

So aber verschwand das Thema fast vollständig von der Bildfläche, genauso wie dessen migran­tische Opfer. Niemand berichtet über Menschen wie die 32-jährige Elsa, eine vierfache Mutter, die vor dem eritre­ischen Bürger­krieg nach Schweden floh und nun dort Opfer des Attentats wurde.

Zunahme rassi­stisch motivierter Straftaten

Rassi­stisch motivierte Straf­taten sind in Europa keine Seltenheit. In Deutschland ergab eine Anfrage der Linken-Politi­kerin Petra Pau, dass die Zahl der rechts­extremen Straf­taten 2024 in Deutschland auf einem Rekordhoch ist. Mit 41’406 gezählten Delikten wurde der bisherige Negativ­rekord aus dem Jahr davor (28’945) um ein Viertel übertroffen. Rechts­extreme Straf­taten haben sich innerhalb von fünf Jahren praktisch verdoppelt.

Diese Zahlen stehen im krassen Gegensatz zur Bericht­erstattung und zur Politik, die befeuert von einzelnen islami­sti­schen Taten seit Monaten ausschliesslich über eine Eindämmung der Migration spricht.

Dies konnte gerade wieder nach dem Anschlag von München beobachtet werden, der vermutlich aufgrund der zeitlichen Nähe zur Bundes­tagswahl grossen Einfluss auf die deutsche Politik haben wird. Auf der anderen Seite jährt sich morgen das rechts­extre­mi­stische Attentat von Hanau zum fünften Mal, bei welchem Medien und Behörden keine gute Figur abgaben und über dessen migran­tische Opfer erst nach Inter­vention von Aktivist*innen (#saytheirnames) berichtet wurde.

Die Zahlen aus Deutschland und das Attentat in Schweden zeigen deutlich, dass die Medien ihren Teil zum Diskurs beitragen müssen. Rechts­extreme Gewalt muss benannt werden und über rechts­extreme Taten muss wieder gesprochen und geschrieben werden.

 

Von Nico Zürcher

 

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  1. […] keinen Migra­ti­ons­hin­ter­grund hat. Wie vor Kurzem im Zusam­menhang mit dem Fall in Örebro gesehen, wird der Täter häufig durch eine psychische Krankheit entschuldigt oder als Einzelfall […]

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