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Einbürgerung – «Ich darf Steuern zahlen, aber nicht bestimmen, was damit geschieht»

Merita lebt seit 20 Jahren in der Schweiz – und hat noch immer keinen Schweizer Pass. Warum sie sich fühlt wie im Mittelalter, erklärt sie im Video.

 

Das Video hat euch bewegt, weshalb wir via Instagram zahlreiche Nachrichten zum Thema bekommen haben. Diese Erfah­rungen habt ihr bei der Einbür­gerung gemacht:

Luljeta, 24

Mein Vater hat uns vor rund 12 Jahren einbürgern lassen. Ich war damals in der 8. Klasse und die Leute der Gemeinde haben ohne das Einver­ständnis von mir oder meinen Eltern meinen Klassen­lehrer angerufen, um ihn zu fragen, was für ein Mensch ich sei. Die Gemeinde hat uns das nicht mitge­teilt; mein Lehrer hat mich darüber infor­miert, dass er über mich ausge­fragt worden war. Das hat mich schockiert. Meine Zukunft hing davon ab, was eine Person, die mich kaum kannte, über mich gesagt hatte. Als Jus-Studentin bin ich heute entsetzt darüber, dass man so auf Daten­schutz und unsere Privat­sphäre gesch***** hat. Wir haben zwar den Pass bekommen, aber meiner Meinung nach unver­dient – denn ein gebür­tiger Schweizer hätte sich so etwas nicht gefallen lassen.

Oğuz, 45

Ich hatte ein viertel­stün­diges Gespräch auf der Gemeinde. Das war alles.

Marta, 26

Zuerst kam der Gemein­de­prä­sident zu uns nach Hause, um uns kennen­zu­lernen. Dann haben wir im Gemein­dehaus den Gemein­derat kennen­ge­lernt, Fragen beant­wortet und eine Prüfung absol­viert. Diese Prüfung beinhaltete Fragen, die vermutlich selbst Schweizer nicht hätten beant­worten können. Dann wurden wir der Gemein­de­sitzung vorge­stellt, anschliessend mussten wir den Saal verlassen und die Leute haben über unsere Einbür­gerung abgestimmt. Als wir den Saal dann wieder betraten, haben alle applau­diert. Wir waren nun Schweizer.

Alen, 28

Ich kam mit 17 Monaten in die Schweiz und habe hier die Schule besucht. Mit 14 Jahren haben wir meinen Antrag gestellt. Ich musste zur Gemein­de­sitzung und dort vor acht Personen meine Beweg­gründe erzählen, wieso ich Schweizer werden will. Dann musste ich an vier Abenden einen Integra­ti­onskurs besuchen, bei dem ich gelernt habe, warum wir eine Rose im Gemein­de­wappen haben und wieso unser Fluss Jona heisst.

Ilija, 32

Die einzigen Fragen, die mir gestellt wurden: Würdest du eine Schwei­zerin heiraten? Würdest du ins Militär gehen?

G.T., 22

Wir sind eine 5‑köpfige Familie und hatten die finan­zi­ellen Mittel nicht, um alle Anträge gleich­zeitig zu beantragen. So haben meine beiden älteren Schwe­stern zuerst den Schweizer Pass bekommen. Ich musste dann mit 12 Jahren mit den wichtigsten Leuten der Gemeinde ein Gespräch führen. Das war sehr unangenehm, da der Gemein­de­prä­sident der Vater einer Mitschü­lerin war.

Zeinab, 25

Ich musste einen Kurs besuchen, an dem wir beispiels­weise gelernt haben, wie viele Kantone die Schweiz hat. Dieser Kurs war teuer und wir mussten ihn selber bezahlen. Immerhin gab es am letzten Kurstag Raclette.

Nike, 33

Es ist genau so, wie Merita das im Video beschreibt. Ich bin in Zürich aufge­wachsen und zur Schule gegangen, danach habe ich vier Jahre in Luzern studiert. Da hatte ich als Studentin kein Geld für die Einbür­gerung. Danach bin ich zurück nach Zürich, wo ich zwei Jahre warten musste, bis ich den Antrag stellen konnte, und danach hat es nochmal zwei Jahre gedauert, bis ich einge­bürgert wurde. Ich musste zig Dokumente einreichen und 3’000 Franken bezahlen.

Adelina, 25

Bei unserer Einbür­gerung 2005 ist alles in Ordnung gewesen. Einen Kollegen meines Mannes haben sie jedoch gefragt, ob seine Frau ein Kopftuch tragen muss, und ob sie mit den Schwie­ger­eltern zusammenleben.

Anonym

Bei meinem Einbür­ge­rungs­ge­spräch mit dem Gemein­derat wurde ich gefragt, wieso ich mich erst jetzt einbürgern lassen würde. Ich habe gesagt, dass ich Studentin sei und es aus finan­zi­ellen Gründen nicht früher möglich gewesen war. Darauf fragte einer, wieso mein Bruder mir nicht den Pass finan­zieren würde, das mache man «bei uns» doch so. Bei der Gemein­de­ver­sammlung wurde dann über die Einbür­gerung unserer 4‑köpfigen albani­schen Familie abgestimmt. Ein älterer Herr hat dagegen gestimmt, mit dem Argument, dass schon genug Anträgen zugestimmt wurde, «irgendwann reicht es».

Arta, 26

Als ich das Gespräch auf der Gemeinde hatte, wurde ich gefragt, ob mein Vater aggressiv reagieren würde, wenn ich einen richtigen Schweizer mit nach Hause bringen würde.

M., 28

Das erste Gesuch, das ich stellte, hatten sie gar nicht registriert, sondern mein Dossier verloren. Ich habe mich immer wieder nach dem Stand des Verfahrens erkundigt, doch die Antwort lautete: «Sie sind nicht die einzige, die den Schweizer Pass möchte!» Später bin ich umgezogen, und das Verfahren musste abgebrochen und an einem neuen Ort gestartet werden.

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