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Rassismus bei Behörden – «Wir wollten schon immer eine türkische Lehrerin sehen»

Rassismus bei Behörden gibt’s in der Schweiz nicht? Ihr habt uns von euren Erfahrungen erzählt.

Ilayda, 21

Meine Mutter wurde einmal zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch einge­laden. Dort sagte man ihr, dass man sie eigentlich gar nicht wolle. Sie hätten nur sehen wollen, wie eine türkische Lehrerin aussehe.

Andrej, 27

Als ich meine Lehre abgeschlossen hatte, musste ich einen Monat mit dem RAV überbrücken, bis ich meine neue Arbeits­stelle antreten konnte. Für den Termin beim RAV bekam ich eine Liste mit den Unter­lagen, welche ich mitbringen sollte. Es war das erste Mal, dass ich einen solchen Termin hatte, und aus Unsicherheit nahm ich noch zusätz­liche Unter­lagen mit, die für die Beraterin allen­falls inter­essant sein könnten. Als es dann soweit war, pickte die Beraterin die nötigen Unter­lagen heraus und schob mir den Rest zu. «Mit diesen Unter­lagen können Sie aufs WC gehen. Die kann man vielleicht in Ihrem Heimatland brauchen, aber nicht hier.» Ich bin deutscher Staats­bürger, bin aber in der Schweiz aufge­wachsen. In dem Moment war ich so schockiert, dass ich kein Wort herausbrachte.

Fisnik, 26

Ich arbeite als Lehrer. Regel­mässig beobachte ich, wie sich einige meiner Kolle­ginnen im Lehrer­zimmer über die ungenü­genden Deutsch­kennt­nisse der Eltern der Schüler lustig machen. Es ist immer die gleiche Leier, doch diese Personen finden es trotzdem immer sehr lustig, als hätten sie den neusten Witz gehört. Gleich­zeitig wollen diese Lehrper­sonen aber gar keine profes­sio­nelle Übersetzung an Eltern­ge­sprächen dabei­haben, weil es ihnen eh egal ist, ob die Eltern etwas verstehen oder nicht. Ich bin noch neu in diesem Schulhaus, werde aber bald nicht mehr wortlos zuhören und zuschauen.

Gina, 26

Vor Kurzem habe ich in Bern folgende Szene beobachtet: Hinter einem Auto mit deutscher Autonummer fuhr ein Polizeiauto. Die Polizei zeigte dem Auto an, es sollte anhalten. Das Auto hielt an und die Polizei parkte dahinter. Die zwei Polizisten stiegen aus und gingen zum Wagen, wo der Fahrer die Scheibe hinun­ter­liess. Im Wagen sassen vier bis fünf Männer mit dunkler Hautfarbe. Einer der Polizisten sagte wütend: «Was habt ihr hier in Bern zu suchen?» Die Antwort kam in gebro­chenem Deutsch: «Wir sind da für eine Hochzeit.» Einer der Männer auf der Rückbank wollte aussteigen, der zweite Polizist trat gegen die Tür und sagte in wütendem Ton: «Ich entscheide, wann du aussteigen sollst!» Die Männer im Auto blieben freundlich, nur die Polizisten wirkten unfreundlich. Es folgt eine Diskussion darüber, dass die Männer im Wagen anscheinend eine rote Ampel übersehen und eine Sicher­heits­linie überfahren hatten.

Ich hätte gern den Mut gehabt, die Polizisten aufzu­fordern, höflich zu sprechen.

Für mich gibt es aber keinen Grund, dass Polizisten so unfreundlich mit Autofahrern reden – egal, was diese gemacht haben. Schon nur die Frage «Was habt ihr hier zu suchen?!» finde ich unver­schämt. Man hätte ja auch neutral fragen können, was sie hier in Bern machten, aber so lautete die Botschaft von Anfang an, dass die Männer fehl am Platz waren. Ich weiss nicht, wie die Polizisten reagiert hätten, wenn die Männer weiss gewesen wären oder eine Schweizer Autonummer gehabt hätten. Ich war so perplex, dass ich gar nicht wusste, wie ich reagieren sollte. Die Geschichte ging mich ja eigentlich nichts an, und ich wusste auch nicht, was vorher passiert war – trotzdem hat mich die Geschichte zu Hause noch beschäftigt. Ich hätte gern den Mut gehabt, die Polizisten aufzu­fordern, wenig­stens höflich zu sprechen.

Shqipe, 27

Ich selbst war nicht betroffen, doch meine Mutter hat so eine Erfahrung beim Steueramt gemacht. Sie ging dorthin, weil sie eine Frage hatte. Meine Mutter spricht gut Hochdeutsch und kennt sich auch ziemlich gut aus. Aller­dings kam sie vom Besuch beim Steueramt aufgelöst nach Hause zurück und erzählte, wie eine sehr junge Dame sie am Schalter angeschrien hatte mit den Worten: «Ich bin nicht du! Ich bin nicht du!» Meine Mutter hatte sie aus Versehen geduzt und die Frau am Schalter stellte sie deswegen vor allen bloss. Hätte meine Mutter ihren Namen noch gewusst, wäre ich rechtlich dagegen vorgegangen.

Suban,  19

Ich habe nie Gewalt erlebt, aber oft kleine Schikanen und eine respekt­losen Tonfall im Gespräch. Einmal führte ich zum Beispiel ein Telefonat mit einem Verwal­tungs­po­li­zisten aus meiner Stadt und er hat sich über meinen Nachnamen lustig gemacht. Er nannte ihn «merkwürdig», «komisch», «seltsam» und lachte mich aus. Ausserdem fragte er «aus welcher spezi­ellen Ecke» der Name komme. Das fand ich ziemlich respektlos. Als ich ihn darauf ansprach, dass ihn das absolut nichts angehe, machte er einfach weiter und sagte nochmal: «Ja, dieser Name ist sehr komisch.»

Viviane, 25

Ich (Schwei­zerin) lebe gemeinsam mit meinem Freund (Kurde, 28, in Deutschland geboren) in Deutschland. Ich überquere täglich mit dem Auto, Tram oder Velo die Grenze zur Schweiz. Wir sind nun seit sieben Jahren ein Paar und ich wurde in diesen sieben Jahren KEIN EINZIGES MAL an der Grenze angehalten oder kontrol­liert. Wenn ich im Tram unterwegs bin, sehe ich, wie die Zöllner und Polizisten gezielt auf türkische oder dunkel­heutige Menschen zugehen und diese kontrol­lieren. Dasselbe Erlebnis hatte ich mit meinem Freund am Flughafen. Wegen seines Aussehens hatten wir Probleme bei der Einreise nach Amsterdam.

Wie kann es sein, dass sich die Behörden immer auf die gleichen Menschen fixieren, diese kontrol­lieren und durch­suchen? Beim Argument «wir machen ja nur unseren Job» könnte ich kotzen. Lernt man bei euch auf dem Job Rassismus oder wie ist das?

Denis, 27

Als ich zwischen dreizehn und siebzehn Jahre alt war, hat mich der Jugend­kri­mi­na­li­täts­be­auf­tragte der Stadt Burgdorf regel­recht verfolgt. Egal wo ich war, ich kam immer in Polizei­kon­trollen. Sie kontrol­lierten meine Hosen­ta­schen, nahmen mein Handy mit, ich musste Urinproben abgeben und noch vieles mehr. Ich kam immer ohne Anzeige davon, aber das war wirklich eine Tortur im Umgang mit der Polizei. Ich hasse sie immer noch, auch wenn ich eine Weile im Sicher­heits­dienst mit ihnen zusam­men­ge­ar­beitet habe. Auch heute, mit 27 Jahren, komme ich in jede Polizei­kon­trolle. Die suchen immer einen Grund, um mich zu kontrol­lieren. Der Polizei in diesem Land kann ich nicht vertrauen.

Amir, 23

Ich werde dauernd ohne Grund nach meinem Ausweis gefragt. Also wirklich jedes Mal wenn ich mit Freunden in der Stadt bin. Und sie fragen dann auch immer, was ich hier mache.

Sayra, 30

Ich selbst war nie davon betroffen, doch meinem Freund wurde von einem Polizisten die linke Schulter ausge­kugelt. Seine Nachbarn hatten ihn gemeldet, weil er anscheinend laut gewesen war und bei sich zu Hause gekifft hatte. Nun hat er eine Schul­ter­ope­ration hinter sich. Nebst den Schmerzen fiel er für eine gewisse Zeit auch auf der Arbeit aus. Ich war bei dem Vorfall nicht dabei, mein Freund schwört aber, dass er aus rassi­sti­schen Motiven so behandelt wurde. Er ist Kurde aus dem Südosten der Türkei, ich bin halb Pakistani, halb Schwei­zerin. Das alles war eine sehr unange­nehme Situation für uns, insbe­sondere auch für mich als Freundin und Partnerin.

Olaya, 28

Einmal war ich mit Freun­dinnen auf dem Heimweg, wir waren etwas betrunken, aber weder laut noch unangenehm. Plötzlich sind zwei Polizisten aufge­taucht und wollten unsere IDs sehen. Ich fragte, warum sie uns kontrol­lierten, wir seien ja einfach auf dem Heimweg. Der Polizist sagte, er müsste jetzt die IDs sehen. Meine Kollegin und ich zeigten unsere IDs und der Kommentar des Polizisten war: «Es sind immer die Gleichen!» Meine Kollegin und ich haben beide spanische Nachnamen, da unsere Väter aus Chile sind. Ich frage, was dieser Kommentar zu bedeuten habe und der Polizist sagte: «Ja eben, es sind immer die gleichen.» Dabei zeigte er auf meinen Nachnamen.

«Es sind immer die Gleichen!»

Ich begann mich höflich zu wehren und sagte, dass ich jetzt gern meine ID zurück­haben wollte. Er wollte sie mir aber nicht geben, sondern begann meine Perso­nen­daten aufzu­schreiben. Ich habe mich weiterhin gewehrt, nahm ihm die ID weg und ging. Drei Monate später erhielt ich ein Schreiben. Ich war wegen Ruhestörung und der Erregung öffent­lichen Ärger­nisses angezeigt worden – alles Dinge, die ich nicht getan hatte. Die Strafe betrug 500 Franken oder drei Tage Gefängnis. Schluss­endlich erhob ich Einsprache und ging mit dem Polizisten vors Bundes­ge­richt. Dort habe ich gewonnen und er musste die Kosten übernehmen.

 

Hast du auch schon Rassismus bei einer Behörde erlebt? Erzähl uns in der Kommen­tar­spalte davon.

  1. Hallo, ich bin verhei­ratet und mein Mann kommt aus Mazedonien. Erst als wir gehei­ratet haben, kam er in die Schweiz. Als ich in der Ehevor­be­reitung war und zum Zivil­stan­desamt gehen musste, wurde mir von der Mitar­bei­terin frech ins Gesicht gesagt: «Zwingen Ihre Eltern Sie zu heiraten?» Dabei schaute sie mich mit einem arroganten Blick an. Ich war schockiert, habe sie ignoriert und bin weg.

  2. Ich bin in Bern geboren und aufge­wachsen. Jedes verdammte Mal auf dem Einwoh­neramt reden die Schal­ter­be­amten in diesem schreck­lichen Hochdeutsch mit mir, obwohl ich mich stets und in jeder Situation am Bärndütsche halte. Man kommt nicht umhin zu meinen, dass die Angestellten dort unter einer sehr starken Wahrneh­mungs­ver­zerrung leiden und unbewusst die Tatsache nicht annehmen können, wie viele Menschen hier trotz auslän­di­schem Papier heimisch sind. Oder sie machen das mit voller Absicht. Ich weiss ehrlich gesagt nicht, was mir lieber wäre.

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